Das mit großer Spannung erwartete Duell zwischen dem FC Rot-Weiß Erfurt und dem FC Carl Zeiss Jena wird von der vom 3. bis 5. Dezember 2025 in Bremen stattfindenden Innenministerkonferenz (IMK25) überschattet. Die dort geplanten Maßnahmen hätten erhebliche Einschränkungen für alle Fußballfans in ganz Deutschland zur Folge. Die Bedrohungslage, als Stadiongänger zukünftig seine Freiheiten am Einlass abzugeben, veranlasst uns Fanszenen Deutschlands zu einem radikalen Schritt: Wir werden im Thüringenderby am Freitag die ersten 12 Minuten schweigen.
Trotz aller Rivalität und Bedeutung des Spiels zeigen wir demonstrativ, welche Atmosphäre in den Stadien ohne bunte und laute Fankurven vorherrschen würde, sollten die populistisch initiierten Sicherheitsmaßnahmen beschlossen werden. Ein Schritt, der gewiss nicht leicht fällt, aber die Notwendigkeit zur Handlung unterstreicht. Schließlich ist die Existenz einer lebendigen Fankultur, die uns auszeichnet und ein Alleinstellungsmerkmal des deutschen Fußballs ist, gefährdet. Um unsere kritische Haltung zu verdeutlichen und dem amtierenden Thüringer Innenminister Georg Maier konkrete Forderungen für die Konferenz mitzugeben, haben beide Kurven und Vereine nachfolgenden offenen Brief an Ihn gerichtet:
Bekenntnis zur Fankultur – populistische Sicherheitspolitik stoppen!
Sehr geehrter Herr Georg Maier, im Vorfeld der 224. Sitzung der Innenministerkonferenz (IMK) vom 3. bis 5. Dezember 2025 wenden wir uns an Sie, um sich als Innenminister des Freistaats Thüringen für den Erhalt der Fankultur und gegen die zur Debatte stehenden Verschärfungen von “Sicherheits”- Maßnahmen in und um deutsche Fußballstadien einzusetzen.
Wir fordern:
- Eine faktenbasierte Debatte zur Sicherheit in deutschen Stadien auf Basis
nachweisbarer Erkenntnisse des aktuellen Jahresberichts der Zentralen
Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS). - Einen ergebnisoffenen und transparenten Dialog über etwaige Maßnahmen unter
Einbeziehung von Fans und Vereinen. - Die vollständige Transparenz über die Arbeitsweise und die bislang vorliegenden
Ergebnisse der “Bund-Länder-offene-Arbeitsgruppe (BLoAG)” gegenüber der
Öffentlichkeit. - Die Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung: kein Stadionverbot ohne
Richterspruch! - Keine Auslagerung von Entscheidungen über Stadionverbote an eine zentrale
Stadionverbotskommission. - Den Ausschluss des Einsatzes von KI-gestützten Kamerasystemen und Einlass-
Scannern. - Eintrittskarten weiterhin ohne Personalisierung.
Die Zahlen im aktuellen ZIS-Jahresbericht zeigen eindeutig: Deutsche Stadien sind sicher! In der Saison 2024/25 leitete die Polizei rund 22 % weniger Strafverfahren ein. Die Zahl der Verletzten sank um 17 %. Gleichzeitig wendete die Polizei 9 % weniger Arbeitsstunden rund um die Spieltage auf. Diese positive Entwicklung wird durch die Steigerung der Besucherzahlen um rund eine Million weiter verstärkt. Das Risiko, beim Besuch eines Fußballspiels verletzt zu werden, ist minimal. Von 25.260.000 Besucherinnen und Besuchern wurden in der letzten Saison 1.107 verletzt – eine Quote von lediglich 0,004 %.
Warum sind die zur Debatte stehenden Maßnahmen ein Problem für die Fankultur?
…weil die Fankurven ein Ort der Freiheit und Selbstbestimmung sind und wir uns nicht mit Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt sehen wollen, die jeglicher Grundlage entbehren.
…weil die Änderung der Stadionverbotsrichtlinien gewachsene und funktionsfähige Strukturen zerstört. Sie erhöht die Gefahr von ungerechtfertigten (Kollektiv-)Strafen und beschädigt das bestehende Vertrauensverhältnis zwischen Vereinen und ihren Fans.
…weil Fußballfans keine Menschen zweiter Klasse sind und immer viel über uns, aber wenig mit uns gesprochen wird!
Warum ist eine lebendige Fankultur wichtig?
…weil sie den deutschen Fußball mit Gesängen, Choreografien und Fahnen einzigartig macht. …weil sie ein Ausdruck der Freiheit, Kreativität und des sozialen Engagements von tausenden Menschen ist, der nicht zuletzt eine positive Auswirkung auf die Zuschauerzahlen hat, die seit Jahren kontinuierlich steigen. In der vergangenen Saison besuchten im Durchschnitt mehr als 7.000 Menschen die Heimspiele beider Vereine, die somit als wahre Aushängeschilder des Freistaats Thüringen fungieren.
…weil sie Menschen, fernab von sozialen Klassen und sonstigen Einteilungen, einen Ort der Gemeinschaft gibt.
Wie es ohne lebendige Fankultur in deutschen Stadien aussehen wird?
…wurde in der Kalenderwoche 47 deutlich, als die deutschen Fankurven gemeinschaftlich 12 Minuten aus Protest keine Stimmung organisierten.
Für den gesamten Fußball ist es 5 vor 12. Verschärfte Maßnahmen, wie sie aktuell zur Debatte stehen, werden zu rückläufigen Zuschauerzahlen, einer kühleren Atmosphäre in den Stadien und einem langsamen Sterben des Volkssports Fußball, so wie wir ihn alle kennen, führen. Die geplanten IMK-Beschlüsse gefährden die lebendige Fankultur in unserem Land.
Um unsere Forderungen zu unterstreichen, werden die Südkurve Jena und die Steigerwaldkurve Erfurt in den ersten 12 Minuten des anstehenden Thüringenderbys einen Stimmungsverzicht durchführen. Dieses Bild soll demonstrativ zeigen, welche Atmosphäre zukünftig in den Stadien ohne bunte und laute Fankurven vorherrschen könnte, sollten die unsachlich initiierten Sicherheitsmaßnahmen beschlossen werden. Der FC Carl-Zeiss Jena sowie der FC Rot-Weiß Erfurt unterstützen ausdrücklich die oben aufgeführten Forderungen und das Bekenntnis zur Fankultur.
Herr Innenminister Maier, wir, die Verantwortlichen und aktiven Fanszenen des FC Rot-Weiß Erfurt und des FC Carl Zeiss Jena, appellieren an Sie: Setzen Sie sich bei der anstehenden IMK vom 3. bis 5. Dezember für den Erhalt der lebendigen Fankultur im Freistaat Thüringen ein und erteilen Sie den sicherheitspolitischen Überlegungen eine Absage.
Gezeichnet:
Steigerwaldkurve Erfurt
FC Rot-Weiß Erfurt
Südkurve Jena
FC Carl Zeiss Jena

